Luis Stabauer

Atterwellen, Episodenroman, Luis Stabauer, Hollitzer Verlag, 143 Seiten, € 19.90, auch als E-Book erhältlich.
ISBN 978-3-99012-445-1

– Tagebücher?, wiederholt Karl. Schreibst du schon lange?
– Geschrieben habe ich schon als Kind, heimlich, sagt sie. Ab 1944 in Büchern, die ich alle noch habe.
 

Mit fünfundzwanzig Jahren zieht Erna, die Tochter eines niederösterreichischen Bauern, zu Leopold nach Seewalchen am Attersee. Sie bauen ein Haus, eröffnen ein Gasthaus. Ihr Traum vom erfüllenden Eheleben ist da längst zu Ende. Sie begreift, wie klein die Welt ist, die ihr als Ehefrau und Mutter von fünf Kindern zugedacht ist. Nach siebenundzwanzig Jahren ist Scheidung die einzige Lösung. Aber Erna hat das Träumen nicht verlernt.

- Wenn du durchs Leben läufst, läuft es an dir vorbei, sagt sie zu ihrer Tochter Frieda in New York.

Ernas Tagebucheinträge aus sechzig Jahren werden für ihren Sohn Karl zur Basis episodenhafter Erzählungen über ihr Leben.

Kapitel 3 Heu (Beginn)

Schon am Vormittag war es sehr heiß, die Kinder spielten beim Bauern nebenan. Josefa kam heim und erzählte ihrer Mutti, der Weiß Ferdinand und der Hart Gunther hätten ihr das Hoserl runtergezogen und sie angeschaut. Was soll aus diesen Kindern werden, wenn sie als Zehnjährige schon solche Sachen treiben, dachte Erni, nahm ihren eigenen kleinen Sohn auf den Arm und ging, um gleich mit den beiden Müttern zu reden. Ob sie wüss­ten, was ihre Buben machten und dass sie ihre Pepperl schüt­zen müsse?, suchte Erni ihr Verständnis. ‚Kinder halt‘, sagte die Weiß, und die Hart lachte nur. So helfen sie nur ihren Buben zur Schlechtigkeit fort, dachte Erni und ging niedergeschlagen nachhause. Dort legte sie als Erstes ihr Burli an. Erni konnte sei­ne Speckfalten sehen, die Milch floss ihm zu stark zu. Dann ließ sie ein entferntes Grollen zum Fenster aufschauen.
Erste Blitze entluden sich aus dem aufsteigenden Schwarz über dem Buchberg. Die Ränder der Wolken waren noch von der Sonne beleuchtet.

– Schnell, schnell!, hörte Erni da den Bauern.
Er streckte seinen roten Kopf beim Fenster herein.

– Komm heraus und hilf beim Heu, es wird gleich regnen!

Kurz war Erni verzagt. Gerade hatte sie Burli aufs Topferl ge­setzt, und sie wusste, wenn sie ihn dabei nur einen Augenblick aus den Augen ließ, stand er auf und warf den Topf um.